Gestatten, Dr. Lena Ostermeier – SGS-Interview mit unserer Doktorin
Seit Sommer 2023 darf sich SGS-Urgestein Lena Ostermeier offiziell Doktorin der Naturwissenschaften nennen. Die 27-Jährige promovierte am Lehrstuhl für Physikalische Chemie I (Biophysikalische Chemie) an der technischen Universität Dortmund. Wir haben mit ihr über diese großartige Leistung, das Zusammenspiel mit dem Profifußball und die Wichtigkeit eines zweiten Standbeins nach der Karriere gesprochen.
SGS: Hallo Lena und zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum Doktortitel. Könntest Du zu Beginn einmal erklären, worum es in Deiner Arbeit geht?
Lena: Vielen Dank. Ich kann gerne zuerst mal den Titel nennen. Und zwar lautet dieser „Stabilität ausgewählter Flüssig-Flüssig-Phasentrennungen in biomolekularen Systemen“. Ich habe dann speziell untersucht, wie zum Beispiel Reaktionen in diesen Phasentrennungen beschleunigt werden können oder wie andere biomolekulare Systeme dadurch beeinflusst werden.
Gab es einen speziellen Grund, warum Du Dich für dieses Thema entschieden hast?
Es hat sich so ein bisschen ergeben. Der erste Themenblock, mit dem ich mich nach meiner Masterarbeit beschäftigt habe, handelte von dem Alpha-Synuclein, ein Enzym, welches jeder Mensch im Körper hat und das bei einer Parkinson-Erkrankung aggregiert und das Gehirn schädigt. Das habe ich damals untersucht und bin dann immer weiter in diese Materie eingestiegen und so hat sich das dann ergeben, dass ich mit Flüssig-Flüssig-Phasentrennungen gearbeitet habe.
Jetzt bist Du gerade einmal 27 Jahre alt, betreibst Leistungssport und hast bereits promoviert. Da darf man auch mal stolz auf sich sein oder?
Das hoffe ich doch (lacht). Mein Studium habe ich ja schon ein Semester kürzer als Regelstudienzeit beendet und dann hatte ich auch noch etwas Glück, denn zwei Tage vor der Prüfung für meine Masterarbeit musste die Uni wegen Corona schließen. Insofern konnte ich danach auch ein paar Monate gar nicht in die Uni, um für meine Doktorarbeit zu forschen. Deswegen bin ich schon sehr erleichtert, dass ich trotzdem alles in diesem Zeitrahmen hinbekommen habe.
Wie viel Zeit hast du denn wöchentlich ungefähr in die Arbeit investieren müssen?
Also abgesehen vom Fußball war ich eigentlich nur zum Schlafen mal zuhause bzw. nicht mit der Doktorarbeit beschäftigt. Ich habe auch am Wochenende oder auf den Auswärtsfahrten im Bus noch weiter daran gearbeitet. Natürlich muss man auch mal Pausen machen, aber eigentlich hat sich der ganze Tag nur darum gedreht.
Insofern lag der Fokus in der Zeit auch klar auf der Arbeit und nicht auf Fußball?
Mir war schon immer die Ausbildung für das, was man nach dem Sport macht, wichtiger. Ich habe von Anfang an gesagt, ich möchte mein Abitur ordentlich machen und dann vernünftig in die Uni starten. Das hatte bei mir immer Priorität. Man weiß nie, wie lange man noch Fußball spielen kann. Das kann im schlechtesten Fall von jetzt auf gleich mit einer blöden Verletzung vorbei sein und man hat nichts mehr. Von daher wollte ich nie etwas aufschieben und zügig damit durchkommen.
Wie ging das denn mit dem Fußball nebenher?
Mit ganz viel Unterstützung von Familie und Co. Ich hatte in der Zeit wirklich sozusagen kein Privatleben mehr und da wurde mir immer der Rücken freigehalten. Aber auch mein Doktorvater Prof. Dr. Roland Winter hat mir extrem geholfen. Ich hätte ihm auch spät nachts noch eine Mail schreiben können, er hätte die vermutlich sofort beantwortet. Er war immer total einsichtig und hat es mir dann ermöglicht, dass ich auch zu den Auswärtsspielen oder Spielen unter der Woche mitfahren kann.
Weil das normalerweise nicht möglich ist?
Es ist ja so, dass ich in der Zeit auch an der Uni angestellt war. Ein Teil der Zeit war dann für die Forschung für meine Arbeit vorgesehen und der andere Teil für die Lehre oder den Arbeitskreis, sprich Klausuren korrigieren, Bachelorarbeiten betreuen und solche Sachen.
Gab es Momente in denen dir das alles zu viel geworden ist?
Ja durchaus. Es gibt immer mal Tage, an denen man die ganze Zeit im Labor steht und irgendwie nichts klappt und man das Gefühl bekommt, der ganze Tag war umsonst. Da hat man dann zeitweise wirklich keine Lust mehr.
Gibt es irgendwelche Berührungs- oder Verbindungspunkte zwischen deiner Arbeit und dem Fußball oder hast Du das von vorn herein bewusst voneinander getrennt?
Es findet sich vieles wieder. Zum Beispiel, dass man gerade in diesem Fachgebiet immer 100 Prozent investieren muss, um Klausuren zu bestehen und dieses nötige Wissen aufzubauen. Das ist im Training auch so. Oder dass man bei der Betreuung von Bachelorarbeiten eine gewisse Führung zeigen und die Studenten anleiten muss. Und da ich ja auf dem Platz auch immer mehr eine Führungsrolle einnehmen will, hat mir das in dieser Hinsicht sehr geholfen.
Was bedeutet dir dieses Alleinstellungsmerkmal einer Bundesligaspielerin mit Doktortitel?
Das ist natürlich eine große Ehre für mich. Dieses Gefühl, es geschafft zu haben und sagen zu können, ich bin jetzt Doktorin – das ist toll und gibt mir in gewisser Weise auch Selbstvertrauen.
In wie weit hat dich der Verein dabei unterstützen können?
Erstmal ganz simpel mit den Trainingszeiten. Ich konnte immer mal sagen, dass ich aus verschiedenen Gründen länger in der Uni bleiben muss und dass ich spontan später oder sogar überhaupt nicht zum Training komme. Da war auch der Trainer immer einsichtig und hat das abgesegnet, dass ich länger arbeite und dann später eine kleine Trainingseinheit für mich selbst mache. Das wäre glaube ich in anderen Vereinen so nicht möglich gewesen und war für mich vom Kopf her auch immer sehr wichtig, diese Freiheit zu bekommen.
Ist deine Promotion ab und zu Thema in der Mannschaft gewesen?
Also ich werde jetzt nicht mit Frau Doktor angesprochen oder so, aber gerade in der letzten Zeit als ich viel mit Lernen beschäftigt war, sind schon immer wieder Mitspielerinnen zu mir gekommen und haben gefragt, wie es so läuft.
Eine ehemalige SGS-Kollegin, die dann sogar Nationalspielerin war und ebenfalls promoviert hat, ist Turid Knaak. Hast Du dich mit ihr auch mal ausgetauscht?
Turid hat mich tatsächlich ein bisschen dahin gebracht, mit der Promotion anzufangen. Genau in der Zeit, als wir noch zusammengespielt haben, war ich in der Überlegung, ob ich nach meiner Masterarbeit noch mit dem Doktor weitermache und da haben wir miteinander drüber gesprochen und eine ganz simple Pro-Contra-Liste erstellt. Da hat sie mir sehr geholfen.
Und du wirst jetzt die zweite Nationalspielerin mit Doktortitel?
Da hätte ich natürlich nichts gegen (lacht). Aber diese Entscheidung liegt ja nicht in meiner Hand.
Aber neben dem Beruflichen läuft es ja aktuell auch sportlich sehr gut…
Das stimmt, aber das Ziel war ja von Anfang an, den Klassenerhalt zu sichern und den haben wir noch nicht. Insofern bleibt das unser und mein oberstes Ziel. Auf der anderen Seite ist es aber auch noch möglich, die beste Saison zu spielen, seit ich bei der SGS bin und das möchte ich gerne bis zum Ende durchziehen. Ich als Abwehrspielerin messe mich auch immer daran, wie viele Gegentore wir bekommen. Momentan freut es mich sehr, auf diese Statistik zu schauen und so wollen wir weitermachen.
Aktuell gibt es in der SGS-Mannschaft kaum eine Spielerin, die nicht in die Schule geht, studiert oder nebenbei berufstätig ist. Die Professionalisierung des Frauenfußballs schreitet aber immer mehr voran. Glaubst Du, dass es in Zukunft auch im Frauenbereich immer mehr Spielerinnen geben wird, die sich ausschließlich auf den Fußball konzentrieren?
Hoffentlich nicht. Ich finde es extrem wichtig, dass die Spielerinnen die Möglichkeit haben, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Ich kann dem Ganzen noch nicht so ganz trauen, dass es irgendwann so sein soll, dass man auch im Frauenbereich nur Fußball spielt und dann für sein ganzes Leben ausgesorgt hat. Dieser Gedanke ist im Moment noch viel zu früh. Bei dem, was die Spielerinnen aktuell verdienen, kann man vielleicht für den Moment davon leben, aber was kommt danach? Man kann ja nicht mit 35 nach der Karriere ohne irgendeinen Abschluss oder eine Ausbildung dastehen und dann nochmal ganz von neu anfangen, etwas zu lernen.
Hast Du Sorge davor, dass es genau diese Beispiele, die es ja in der Vergangenheit im Männerfußball des Öfteren gab, auch im Frauenbereich geben kann?
Ich denke nicht, dass das so extrem passieren wird. Ich glaube, dass die Frauen in dieser Hinsicht etwas geerdeter und vielleicht auch etwas cleverer sind und sich mit Blick auf die Zukunft etwas mehr Gedanken machen und vorbereiten.
Möchtest du für jüngere Spielerinnen auch eine Art Vorbild sein und zeigen, dass Profifußball auf höchstem Niveau und eine Promotion gleichzeitig funktionieren können?
Ja definitiv. Ich halte es für sehr wichtig, dass gerade die Nachwuchsspielerinnen sehen, wie es laufen kann und wie es im Moment auch noch laufen muss, dass man ein zweites Standbein hat. Es ist natürlich immer total typabhängig, was man dann am Ende genau macht, aber da möchte ich für die jüngeren Spielerinnen auf jeden Fall immer ein Ansprechpartner und vielleicht auch ein Vorbild sein.
© SGS-Bericht
Last update: 18.12.2023 21:38
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